Textauszug aus der Rede von Frau Dr. Liliane Skalecki zur Vernissage der Ausstellung:

 

Christina Allamoda – Viktoria Diehn – PeterKrahé    

(Malerei und Objekte)                                        

 

10.06. bis 23.7.2017 

Galerie Altes Rathaus Worpswede

 

 

Traumzauber – Facetten nächtlicher Reisen“

so der Titel der Ausstellung, die wir heute in der Galerie im Alten Rathaus eröffnen.

Der Traum – Wussten Sie, dass Menschen, die schlafen, alle und immer träumen? Und 80 Prozent aller Menschen erinnern sich an ihre Träume. Also, auch wer sich nicht erinnert, träumt jede Nacht. Der Traum ist nicht nur ein Merkmal der menschlichen Existenz, er ist sogar überlebenswichtig – sowohl für den Körper als auch für die Psyche. Träume als Spiegelbild der Seele, sie spiegeln das Grundmuster der eigenen Persönlichkeit wider. Lange Zeit herrschte der Glaube vor, Träume seien indirekte oder verschlüsselte Botschaften von Göttern und Dämonen, ihnen wurde Weissagungs- oder Orakelcharakter zugesprochen. Reich an solchen, nennen wir es prophetischen Träumen, ist beispielsweise die Bibel, denken Sie an Josef, der den Traum des Pharaos von den sieben fetten und den sieben mageren Jahren entschlüsselt, oder an dessen Vater Jakob, der von der Himmelsleiter träumt.

Nun, was passiert eigentlich im Körper, während wir träumen? Bereits 1880 erkannte man, dass es in dieser Phase zu einer vollständigen Abwesenheit jeglicher Muskelspannung kommt. Interessant für das Vorkommen von Träumen ist die sog.  REM-Phase, eine Phase, in der sich die Augen bewegen, und die sich circa drei- bis viermal in jeder Nacht wiederholt. Sie zeichnet sich durch ein ebenso aktives Gehirn wie im Wachzustand aus, doch die Muskelspannung fehlt dabei völlig. Personen, die in dieser Phase geweckt werden, können sich an ihre Träume erinnern. Durch die Traumschilderungen der Schläfer konnte dann gefolgert werden, dass die Augenbewegungen der Betrachtung von Traumszenen entsprechen.

Aus neurophysiologischer Sicht ist der Traum ein für den Körper überaus wichtiger Mechanismus. Dabei vertritt die neurologische Forschung die These, dass die Bilder und Szenen des Traums zur ständigen Programmierung unserer Gehirnzellen gehören. Dass wir unlogische Ereignisse im Traum nicht als Widersprüche wahrnehmen, liegt  daran, dass bestimmte Neuronen im Gehirn, im Gegensatz zu anderen Nervenzellen, zeitweilig Ruhe brauchen. Im Traum sind sie ausgeschaltet und verhindern so das kritische Bewusstsein.

Dies in aller Kürze der rein medizinische Aspekt des Träumens.

Revolutioniert wurde die psychologische Traumforschung durch Sigmund Freud, für den der Traum der Hüter des Schlafes und immer Ausdruck eines unterbewussten Wunsches ist. Im Gegensatz zu Freud stellte sein Schüler Carl Gustav Jung bei der Traumforschung das individuelle Erleben jedes Menschen in den Mittelpunkt. Jung erkennt, dass sich ein Traumsymbol nicht auf einen einzigen Begriff reduzieren lässt. Für ihn zeigen Träume einen seelischen Tatbestand an.

Als fortlaufender Dialog mit dem bewussten Ich wird diesem in jeder Nacht von unserer Persönlichkeit Nr. 2 – ein von Jung geprägter Begriff für das kollektive Unbewusste – ein Spiegel vorgehalten. Nach der Jung’schen Traumlehre ist es an jedem einzelnen, den Traum unter Bezugnahme der bisherigen Erfahrungen sowie vergangener und aktueller Lebenssituationen richtig zu entschlüsseln.

 

Soweit einige Informationen für diejenigen unter ihnen, die sich im Nachhinein noch ein wenig den Kopf zu diesem Thema zerbrechen wollen.

Doch was ist bis jetzt schon hängengeblieben? REM Phase, ja, diesen Begriff haben wir alle schon einmal gehört, Träume, ein seelischer Tatbestand? Diese Aussage erscheint nicht abwegig. Vielleicht sind es doch unsere unbewussten Wünsche, die sich im Traum manifestieren?  Und die REM-Phase wiederholt sich drei, viermal in der Zeit unseres Schlafes?

Aha!  Das ist also schon einmal gelungen - eine passende Überleitung zu Peter Krahé, dessen Traumnotizen ich entnehmen konnte, dass er manche Nacht tatsächlich so oft, also drei, vier Mal seinen Schlaf unterbricht, um die Träume, die ihn heimgesucht, beschäftigt, aufgeregt oder auch entspannt haben, niederzuschreiben, und dessen Bildwerke eine der Facette nächtlicher Reisen sind, auf die wir in dieser Ausstellung mitgenommen werden.

Seit mehr als 50 Jahren sind Träume der Schwerpunkt des Peter Krahé, absurde Geschehnisse, Erinnerungsfetzen, Wiederaufleuchten von Gesehenem, Geschehenem, die er als – sagen wir Nachtbucheintragungen   -, vorgenommen hat. Aus den Eintragungen wurden Traumnotizen, hier und da versehen mit einer kleinen Skizze, um sich das Gesehene anschaulich wieder vor Augen führen zu können.

Schon der erste Nachtbucheintrag vom 1. Mai 1963 handelt von Träumen: „Ich befinde mich mit anderen Kunstschülern in einem riesigen Raum, der von Kunstgegenständen (Bildern, Plastiken) und Kunstbüchern förmlich überladen ist. Eine konzentriert aktive Atmosphäre. Beschäftigung mit allen Bereichen der Bildenden Kunst zugleich. Nebenan (Treppenflur) ca. 7 Flügel, an denen junge Menschen unter Anleitung ein Thema mit Variationen einer nach dem anderen (hinzu) einsetzend zu spielen beginnen … Sollte dies die Einrichtung einer idealen Kunstschule sein, in der alle Zweige der Kunst (Bildende Kunst, Musik, Theater, Tanzsport u.a.) zusammengefasst werden und ein jeder neben der Fachausbildung eine künstlerische Gesamtausbildung bekommt?“

Seither schreibt Peter Krahé seine Traumprotokolle akribisch auf, lässt nichts aus, erinnert sich, rettet diese flüchtigen Momente in die Welt außerhalb des Traums - er notiert, skizziert, und arbeitet seit mehr als 15 Jahren diese auch in Bildern aus. Und es sind besonders die absurden Geschehnisse in seinen Träumen, an denen er uns teilhaben lässt.

Auch wenn von Peter Krahé immer wieder Traummomente skizziert werden, die auf den ersten Blick wie das Auseinandersetzen des Träumenden mit Dingen, die den Menschen eigentlich in Angst oder Schrecken versetzen sollten, wirken, sei es das Symbol des Feuers, zuckende Blitze, menschliche Knochen, so überwiegt dann aber doch beim Durchblättern seiner Skizzenbücher oder dem Betrachten seiner Bilder der feine Humor, den er uns mit seinen Phantasien an die Hand gibt.

Peter Krahé, der „Traumpaparazzo“, ist dabei immer auf der Suche nach dem Bild, das er aus seinen des Nachts skizzierten Traumtexten herausarbeitet. Die Traumbilder, die sein Hirn ihm offenbaren, werden dann miteinander verschmolzen oder kombiniert, und lassen dann in seinen Bildern „Traumsequenzen“ den Betrachter an den so reich und phantasievoll geträumten Dingen und Begebenheiten teilhaben. Wie in einem Kaleidoskop setzt er das, was er in seinen Träumen - sagen wir um 11 Uhr, um eins, um drei und halb fünf gesehen hat -, zusammen, und nicht selten bleiben davon nur noch Relikte übrig, ein Kopf, ein Reisigbündel, ein Stuhl, eine Architektur, die der Künstler dann herausisoliert und neu miteinander verknüpft.

Es muss ein rasantes Nachtleben sein, das Peter Krahé führt. So rasant, dass er sich vorstellt, dass das Medium Film das adäquatere Mittel wäre, das zu zeigen, was er träumt. Nun, er hat aber Stift und Pinsel zur Verfügung, und versucht damit dem Betrachter diesen Eindruck zu vermitteln, diesen Eindruck von rasenden Wolken, herabstürzenden Häusern, zuckenden Blitzen, auflodernden Flammen.

Jedes Motiv für sich genommen erscheint in den Werken des Künstlers real, erst die Kombination, die Inszenierung dieser realen Dinge, lassen den surrealen Moment entstehen, wenn aus einem Baumstamm Gesichter herausblicken, ein Boot aus Knochen gezimmert ist, sich nackte Gestalten in einem Flipperautomaten räkeln, einem Gipstorso ein Blumenstrauß als Kopf wächst oder die Ohren eines Katzenkopfes aus kleinen Katzenköpfchen geformt sind.

Es sind die Träume des Peter Krahé, an denen er uns teilhaben lässt. Sollten wir also große Interpretationen wagen? Möchte der Baum als Wesen mit menschlichen Gefühlen wahrgenommen werden, ist das Knochenboot ein Gleichnis dafür, das Menschen ihr Leben aufs Spiel setzen, wenn sie über das Meer die Flucht wagen? 

Nehmen wir die Werke doch als das an, was sie vordergründig sind. Traumgebilde, in feinen Details und feinster Manier auf die Leinwand oder zu Papier gebracht. Ungewohntes, Fremdes, Abenteuerliches entdeckt dabei das Auge des Betrachters, wir können staunen, schmunzeln, uns erschrecken. Peter Krahés Fantasie wird zu unserer eigenen.

Der Traum in der Kunst - Surrealisten wie Salvadore Dali, René Magritte oder Konrad Klaphheck haben geheimnisvolle Bildwelten geschaffen, die die Wirklichkeit magisch verfremden und phantastisch überhöhen. Dalis Surrealismus orientiert sich an Traum und Psychoanalyse, Magrittes Werken liegen philosophische Denkbilder und Verfremdungs- und Kombinationsverfahren zugrunde, Konrad Klapheck malt scheinbar realistisch technische Geräte, die er verfremdet und neu komponiert, so dass sie zu Dämonen, Ikonen oder Monumenten werden.

Das Werk Peter Krahés fußt jedoch auf der persönlichsten aller Möglichkeiten, auf dem Sichtbarmachen seines Innenichs, an dem er uns mit seinen Bildern teilhaben lässt.

 

 

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© Peter Krahé